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Recht und Datenökonomie an der Universität Osnabrück
Leitidee: Compliance by Design
Zahlreichen Innovationen, wie z.B. Smarte Landmaschinen, Augmented and Virtual Reality, Big Data, KI-Anwendungen und Legal Tech, ist gemeinsam, dass ihre Entwicklung und/oder Nutzung die Verfügbarkeit von hochwertigen Daten voraussetzt. Einer solchen Nutzung von Daten wird ein erhebliches wirtschaftliches Potential zugesprochen. So soll etwa die Verfügbarkeit von Echtzeitdaten, die die flexible Anpassung der Gewinnung, Nutzung und Speicherung von Energie oder die Skalierung von Transportkapazitäten ermöglichen, allein für die Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie ein Einsparvolumen von 10 bis 20% begründen. Für andere Bereiche, wie z.B. den Gesundheits- und den Agrarsektor, verspricht die effektive Datennutzung einen höheren Ertrag bei schonenderem Ressourceneinsatz und kann damit die Nachhaltigkeit verbessern. Daten dienen aber auch der Dokumentation und Verlässlichkeit in Lieferketten und können so bspw. Tiergesundheit und die Transparenz der Herkunft für die Verbraucher gewährleisten. Um dieses Potential zu realisieren, müssen in Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung Organisationen nicht nur faktischen Zugang zu hochwertigen Daten erlangen, sondern diese auch mit vertretbarem Aufwand rechtskonform nutzen können.
Zugleich hat sich der Innovationszyklus verändert. An die Stelle der zeitlichen Abfolge von Entwicklung, Erprobung, Markteinführung und schließlich Feedback durch die Nutzer, ist in vielen Sektoren eine agile Entwicklung getreten, die durch Updates oder Änderung der Prozesse, oft sogar ohne Änderung der Produkthardware, eine zeitnahe Markteinführung mit paralleler Fehlerbehebung und Verbesserung ermöglicht. Entsprechend müssen aktuelle Forschungsprojekte schon jetzt die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Blick nehmen. Das setzt voraus, dass die Unternehmen technische, organisatorische und rechtliche Maßnahmen treffen, um die Datenströme zu konzipieren, zu steuern und vor unbefugter Nutzung zu schützen (compliance by design), und – soweit erforderlich – diskriminierungsfrei Zugang gewähren (access by design). Da der Gesetzgeber Daten jener Person, die die faktische Kontrolle über sie ausübt, nicht als Eigentum zugeordnet hat, sind hierfür Vereinbarungen zwischen den Beteiligten erforderlich. Ihre Zulässigkeit und Wirksamkeit sind ausgesprochen komplex: Sie hängen insbesondere ab von
• der rechtlichen Einordnung der Daten (personenbezogen/nicht-personenbezogen),
• dem Informationsgehalt (Maschinendaten, Bodendaten, sensible Daten, insb. Gesundheitsdaten),
• dem Grad der Rückverfolgbarkeit (Anonymisierung, Pseudonymisierung),
• den beteiligten Akteuren (Gatekeeper, KMU, KKU, Verbraucher) und schließlich
• von der territorialen Ausgestaltung der Datenströme (national/grenzüberschreitend, EU/Drittstaaten).
Gerade für KMU führt die Vielzahl der zu berücksichtigenden Faktoren zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit und unkalkulierbaren Haftungsrisiken, die die Markteinführung ihrer Entwicklungen verhindern und sich als Hemmschuh für Innovation erweisen. Dies begründet einerseits den Bedarf einer Klärung der rechtlichen Rahmenbedingungen, andererseits der Entwicklung handhabbarer Sets von Kriterien und Mustervereinbarungen, die den Unternehmen als Leitplanken für ihre Produkt- und Vertragsgestaltung dienen. Die mit der Erlangung, Nutzung und Weitergabe von Daten verbundenen Rechtsfragen sind eine Querschnittsmaterie aus dem Datenschutzrecht, dem Recht des Geistigen Eigentums sowie dem Vertrags- und Haftungsrecht. Erfolgt die Verwertung von Daten nicht auf Basis von einzelnen Verträgen, sondern – wie in der Praxis zu beobachten – durch die Einbindung Dritter (z.B. Plattformen als Dienstleister, Lieferkette), treten die Regelungen des Wettbewerbsrechts hinzu. Bei grenzüberschreitender Datenspeicherung oder Weitergabe ist auch das internationale Privatrecht zu berücksichtigen.
Die einzelnen Themenfelder sind am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück in Forschung und Lehre prominent vertreten, die beteiligten Forscher aber in unterschiedlichen Instituten angesiedelt. Daher haben Prof. Bernd J. Hartmann, Prof. Mary-Rose McGuire und Prof. Hans Schulte-Nölke bereits 2020 eine institutsübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die sich gemeinsam mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und der Hochschule Osnabrück (HSOS) erfolgreich an verschiedenen interdisziplinären Projekten (bspw. Agri-Gaia/BMWK, AgroNordwest/BMEL, 5GAgrar/BMDV) beteiligt hat. Insbesondere die Kooperation mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bei der Ausarbeitung von Musterbedingungen für Landmaschinen und Farmmanagementsysteme stellt unter Beweis, dass das Forschungsprofil des Fachbereichs (EU-Recht, Digitalisierung, Wirtschaftsrecht) ein erhebliches Potential für interdisziplinäre Projekte mit anderen Projektgruppen der Universität Osnabrück sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen aufweist.
Neue, vom Fachbereich 6 federführend initiierte Projekte, bspw. seitens der Arbeitsgruppe „Semantische Informationssysteme“ (Prof. Atzmüller, u.a. DFG und EFRE), und das Joint Lab KI & Data Science (Prof. Römer/Prof. Atzmüller, ATB Potsdam, VolkswagenStiftung) wie auch im außeruniversitären Umfeld laufende Projekte, wie zum Beispiel agrifoodTEF („Test and Experiment Facilities for the Agri-Food Domain“; DFKI, Hochschule und AVF; Prof. Hertzberg; EU Digital Europe), weisen einen ähnlichen fächerübergreifenden Forschungsbedarf zu den rechtlichen Rahmenbedingungen auf.
Die Kooperation von Informatik, Mathematik und Recht kann hier die frühzeitige Berücksichtigung rechtlicher Vorgaben bei der technischen Konzeption sicherstellen, der Einblick in die technische Gestaltung das Verständnis für juristische Probleme schärfen.
Zentrales Ziel der Forschungsstelle ist es, eine nach außen sichtbare Schnittstelle zwischen dem Forschungsprofil des Fachbereichs Rechtswissenschaften in den Bereichen EU-Recht, Digitalisierung und Wirtschaftsrecht und den Forschungsthemen des Fachbereichs 6 sowie des DFKI als profilbildenden Schwerpunkt der Universität Osnabrück zu bilden. Im Mittelpunkt stehen die Analyse der Rahmenbedingungen und die Erarbeitung von Modellen für die technisch sinnvolle und rechtskonforme Erlangung, Nutzung und Weitergabe von Daten (Datenökonomie). Die Forschungsstelle ist thematisch offen konzipiert und wird künftig weitere Wissenschaftler:innen, auch aus anderen Fachbereichen der Universität, wie z.B. aus den Wirtschaftswissenschaften, zur Mitarbeit einladen.
Die Leitidee der Forschungsstelle ist die Vernetzung der Mitglieder in Forschung und Lehre aus den verschiedenen Fachbereichen sowie in Osnabrück angesiedelten Forschungseinrichtungen zum Thema Recht & Datenökonomie und der Außenauftritt dieses Forschungsnetzwerks.
Themen und Ziele
Das zentrale Ziel der Forschungsstelle ist, Recht & Datenökonomie als Teil des Forschungsprofils an der Universität Osnabrück strukturell zu verankern und Potentiale in Forschung/Lehre zu identifizieren, sowie entsprechende Maßnahmen umzusetzen und sichtbar zu machen. Die Schwerpunkte der Arbeit liegen hierbei auf
• der kritischen Begleitung der Gesetzgebung auf nationaler und europäischer Ebene,
• der Analyse von Geschäftsmodellen, die von Projektpartnern entwickelt werden sowie
• der Entwicklung von Leitplanken und Musterbedingungen für die effiziente Vertragsgestaltung.
Die Forschungsstellen Recht & Datenökonomie einerseits und Data Science andererseits können sich auf diese Weise wechselseitig ergänzen und stärken.
Kurz- und mittelfristige Ziele sind:
• Etablierung und Sichtbarmachung der Forschungsstelle – insbesondere auch als Teil des KI-Campus der Universität
• Organisation von regelmäßig stattfindenden Workshops und Tagungen sowie die gemeinsame Publikation en
• Vernetzung mit anderen Arbeitsgruppen und Projekten Forschungsstelle Recht & Datenökonomie
• Nachwuchsförderung und Betreuung von Promotionsthemen an der Schnittstelle Technik/Recht
• Ergänzung der forschungsnahen Lehre, insbesondere im Profil- und Schwerpunktbereich
• Betreiben einer Webseite, um über die Arbeit der Forschungsstelle zu informieren
Mittel- und langfristige Ziele sind:
• Weiterentwicklung und Ausbau der zuvor beschriebenen Aktivitäten der Forschungsstelle
• Entwicklung von Lehrangeboten für den geplanten Master of European Technology Law
• Identifikation und Durchführung gemeinsamer Forschungs- und Verbundprojekte